Schutz und Schirm

Fast immer stehen vor den Muttergottesbildern oder – skulpturen in unseren Kirchen brennende Kerzen. Sie zeugen von den vielen Gebeten und Anliegen, die Menschen zur Mutter Gottes tragen.


Andererseits scheint Maria etwas ins Abseits geraten zu sein. Maiandachten werden meistens nur noch von älteren Gemeindegliedern besucht und Mariengebete, wie der Rosenkranz, werden eher selten gepflegt.

Marienfrömmigkeit scheint halt so etwas wie ein alter Hut zu sein: irgendwie bekannt, aber altbacken und unmodern, manchem zuweilen sogar peinlich.
Nun gut, vielleicht ist diese Haltung eine Reaktion auf jene Zeit, in der Maria eine übergroße Bedeutung in der Frömmigkeit zugemessen wurde und die Gefahr bestand, dass durch eine allzu große Marienverehrung der Blick auf ihren Sohn Jesus Christus verstellt wurde.
Aber Maria so einfach aus unserem Glaubensleben entsorgen, wie ein paar alt gewordene Klamotten, würde heißen, eine wesentliche Seite Gottes nicht anzunehmen: nämlich die, dass er durch einen Menschen, eine junge Frau, selbst Mensch geworden ist. Deshalb wird ihr Name ausdrücklich im Apostolischen Glaubensbekenntnis genannt.
Maria ist jene, die still und im Hintergrund Jesus begleitet hat, vom ersten Augenblick seiner menschlichen Existenz an bis zu seinem Tod am Kreuz. Da ist weder etwas süßliches noch etwas banales oder unwichtiges, da ist unmittelbare Nähe zum Herrn, liebevoll, treu, aber auch mit dem Leid vertraut.
Maria ist die von Anfang an Glaubende. „Was er euch sagt, das tut!“ – so lautet ihre Weisung (Joh 2,5) im Zusammenhang mit dem ersten Zeichen Jesu, in dem seine Göttlichkeit aufstrahlt. So ist sie uns nicht nur Vorbild, sondern Urbild der Kirche und Mutter im Glauben.

Zu den schönsten Mariendarstellungen gehört für mich die Schutzmantelmadonna aus der Liebfrauenkirche in Ravensburg (um 1480, heute im Bode-Museum in Berlin).
Maria schreitet voran und schaut voraus. Sie breitet ihren Mantel aus über alle, die sich ihr anvertrauen. Sie ist unterwegs auf dem Weg der Kirche durch die Zeit. Auch so begleitet sie ihren Sohn, der in der lebendigen Kirche gegenwärtig ist. Dieses Bild erinnert an das älteste Mariengebet, das die Kirche kennt. Im Kern stammt es aus dem 3. Jh.:
„Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin. Führe uns zu deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stell uns vor deinem Sohne.“
Gerade in diesen so unruhigen, verwirrenden und sogar Angst machenden Zeiten ein wertvolles und wichtiges Gebet.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Marienmonat Mai.

Ihr Diakon Wolfgang Gerlich

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